Was ist ESD-Schutz und warum ein effektiver ESD-Schutz in Bereichen mit elektronischen Komponenten wichtig ist?
Was ist elektrostatische Entladung?
ESD ist die englische Abkürzung für die elektrostatische Entladung, steht also für electrostatic discharge und beschreibt einen plötzlichen, schnellen Ladungsübergang von einem geladenen Körper auf einen Anderen. Für eine elektrostatische Entladung benötigt es also zwei Gegenstände mit einem unterschiedlichen Potential. Wenn der Potentialunterschied, also der Unterschied zwischen den Ladungen auf die die Gegenstände aufgeladen sind, groß genug ist, kommt es zu einem schlagartigen Ausgleich. Für diesen schlagartigen Ausgleich benötigt es nicht mal eine Berührung. Wie bei einem Gewitter, bei dem sich die elektrostatisch aufgeladenen Wolken mit einem Blitz in einen Baum entladen, kann auch im Alltag diese Entladung durch einen Blitz entstehen. Hierfür reicht eine Annäherung auf wenige mm aus.
Elektrostatische Aufladung und damit auch die elektrostatische Entladung ist aber keine Ausnahmeerscheinung. Durch den Kontakt von unterschiedlichen Gegenständen bzw. Influenz laden sich die Materialien unterschiedlich stark auf. Hierfür verantwortlich sind die Triboelektrizität bzw. elektrische Felder. Beides kommt im Alltag überall vor, werden von dem Menschen nur in der Regel nicht wahrgenommen. Spürbar wird die elektrostatische Entladung zum Beispiel beim Aussteigen aus dem Auto oder beim Anfassen einer Türklinge. Der elektrische Schlag, welchen man als Mensch spürt, ist eine Blitzentladung des aufgeladenen Menschen, welcher sich vorher beim Laufen über einen Bodenbelag oder beim Sitzen auf dem Autositz aufgeladen hat. Ein weiteres Beispiel aus dem Alltag ist das Knistern, welches man beim Ausziehen eines Wollpullovers hört. Auch hier ist das Knistern eine Folge von kleinen Blitzentladungen, welche zwischen dem Menschen und dem Kleidungsstück auftreten.
Elektrostatische Entladung zerstört elektronische Komponenten
Durch normale Bewegungen und Vorgänge im Alltag kann sich ein Mensch oder ein Gegenstand schnell auf Spannungen von mehreren 10.000 Volt aufladen. Wenn keine Erdnungsmöglichkeit besteht, bleibt diese Spannung leider auch über lange Zeit bestehen. Ein einmal aufgeladener Gegenstand möchte diese Potential aber so schnell wie möglich wieder ausgleichen und entlädt sich bei der nächst möglichen Gelegenheit.
Fatalerweise kann ein Mensch eine elektrostatische Entladung erst ab ca. 2.000 Volt wahrnehmen. Bauteilschäden treten aber bereits ab einer Spannung von etwa 100 Volt auf. Ca. 90% der elektrostatischen Entladungen treten weit unterhalb der 2.000 Volt auf und bleiben daher vom Menschen unentdeckt.
Aufgrund der stetigen Miniaturisierung der internen Strukturen von elektrischen Bauteilen sind diese immer sensibler gegen elektrostatische Entladungen geworden. Je kleiner die inneren Strukturen der Bauelemente sind, desto empfindlicher sind diese Komponenten gegen elektrostatische Entladungen. Mit der weiteren Verkleinerung der Strukturgrößen ist auch mit einer weiteren Zunahme der Empfindlichkeit zu rechnen.
Die wirtschaftlichen Folgen von ESD-Schäden betragen ein vielfaches des eigentlichen Schadens
Die übertragene Energie bei der Entladung eines aufgeladenen Menschen auf die winzigen Strukturen eines elektronischen Bauteils ist vergleichbar mit der Energie, welche durch ein Gewitterblitz auf einen Baum übertragen wird. Die Folgen sind daher ebenfalls vergleichbar. Im Inneren des Bauteils werden Teile der Halbleiterstrukturen zerstört und damit Leiterbahnen und Isolationsabstände geschwächt. Typische ESD-Schäden sind Frühausfälle oder ein abnormales Verhalten in Grenzbereichen wie Temperatur, Feuchtigkeit oder bei schnellen Schaltzyklen.
Im Gegensatz zu anderen Bauteilschäden lassen sich typische ESD-Schäden mit den normalen Produktionstests in der Regel nicht entdecken. In der Folge sind die betroffenen Produkte zum Zeitpunkt des Ausfalls bereits beim Kunden. Neben den eigentlichen Reparaturkosten (Material und Arbeitszeit) treten also noch Strafzahlungen, Kosten für Ersatzleistungen sowie ein Imageschaden beim Kunden auf. Die Kosten steigen damit auf ein Vielfaches des eigentlichen Schadens. Aus Bauteilkosten von wenigen Cent bis Euros, werden so schnell Kosten von vielen 10.000 Euro.
Dabei sind ESD-Schäden keine Einzelfälle. Eine Statistik eines Halbleiterherstellers hat gezeigt, das ca. 25% der als defekt zurück geliferten Bauteile einen ESD-Schaden aufweisen! Hinzukommt, dass ESD-Schäden häufig systematisch, also immer wieder an der selben Stelle auftreten. Die Gefahr, dass Sie sich also mehrere Bauteile beschädigen ist groß.
Der Schutz vor elektrostatischer Entladung besteht aus der Vermeidung und dem kontrollierten Ableiten
Der Schutz sensibler Elektronik vor elektrostatischer Entladung besteht in einer Kombination aus der Vermeidung von ungewollten Aufladungen und einem kontrolliertem Entladen von Gegenständen. Beispiele für ESD-Schutzmaßnahmen, sogenannte ESD-Kontrollelemente, in einer ESD-Schutzzone sind:
- Handgelenkerdungsband für die Mitarbeiter
- ESD-Bekleidung für Mitarbeiter und Besucher
- ableitende Arbeitsoberflächen und Einrichtungsgegenstände (z.B. Tischplatten, Stühle, Regale,...)
- ESD gerechtes Werkzeug, Vorrichtungen und Materialien
- ableitende Fußbodenbeläge und Schuhwerk
- Ionisatoren
- Schutzverpackungen
- ...
Die ausgewählten ESD-Schutzmaßnahmen müssen auf die Produkte und das Umfeld abgestimmt werden, nur so kann gewährleistet sei, dass der notwendigen Schutz bei geringen Kosten erreicht wird.
Auch administrative Schutzmaßnahmen dürfen beim ESD-Schutz nicht vernachlässigt werden
Neben den technischen Schutzmaßnahmen gehören auch administrative Maßnahmen zu einem wirksamen Schutzsystem. An oberster Stelle steht die Schulung der Mitarbeiter und damit dem Schaffen eines Bewusstseins für die unsichtbaren Gefahren. Die gültigen ESD-Normen fordern hier eine regelmäßige Schulung der Mitarbeiter und bezeichnet die Mitarbeiterqualifizierung "...als erste effektive Stufe für einen wirksamen ESD-Schutzes ...“. In der Industrie hat sich eine jährliche Unterweisung aller betroffenen Mitarbeiter etabliert. Neben den Mitarbeitern im direkten Umgang mit den sensiblen Komponenten sind auch deren Kollegen aus den unterstützenden Bereichen wie Arbeitsvorbereitung, Logistik usw. zu unterweisen.
Abgesehen von der Schulung ist auch ein regelmäßiges Überprüfen der etablierten ESD-Kontrollelemente auf deren Funktion wichtig. Durch Alterung, falsche Reinigungsmittel, Abnutzung usw. verlieren die installierten Schutzeinrichtungen Ihre Funktion, ohne dass es optisch sichtbar ist. Eine messtechnische Überprüfung sollte daher min. alle 12 Monate erfolgen.